Heft 8 / 2017 (August 2017)

Abhandlungen

Dipl.-Rechtspfleger Andreas Zeiser:
Gedanken zu Ergänzungspflegschaften und familiengerichtlichen Genehmigungen 429

I. Der Ergänzungspfleger für die Vertretung im Verfahren
II. Der Ergänzungspfleger für die Vertretung beim Vertragsabschluss
1. Die Entscheidung des OLG Dresden vom 23.12.2015
2. Die Entscheidung des BGH vom 25.11.2004
3. Kritik
III. Die familiengerichtliche Genehmigung des unentgeltlichen Erwerbs von Grundeigentum
IV. Probleme mit der BGB-Gesellschaft
1. Beteiligung an einer BGB-Gesellschaft
2. Verfügung nach § 1821 BGB durch eine BGB-Gesellschaft
3. Entgeltlicher Erwerb eines Grundstücks von einer BGB-Gesellschaft
V. Fazit

Steffen Kögel
Die Änderung der abgeleiteten Firma – ein Riss im Firmenrecht 429

I. Problemstellung
II. Gesetzgeberische Motivation
III. Rechtsformspezifische Besonderheiten
1. Die abgeleitete Firma bei Kapitalgesellschaften
2. Die abgeleitete Firma bei Einzelkaufmann, Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften
3. Zwischenergebnis
IV. Stellungnahme
1. Die abgeleitete Firma ist täuschend geworden
2. Keine Täuschung, aber Änderung der Verhältnisse
3. Wiedererkennung muss sichergestellt sein
4.Schutzwürdiger Besitzstand an einer neuen Bezeichnung
5. Gestaltungsfreiheit für die abgeleitete Firma?
V. Fazit

Rechtsprechung

Sachen- und Grundbuchrecht
GBO § 29 Abs. 3; § 38; InsO § 32 Abs. 2 Satz 1 (Ordnungsgemäße Siegelung von Ersuchen) BGH, Beschluss vom 14.12.2016, V ZB 88/16

Ein lediglich drucktechnisch erzeugtes Behördensiegel genügt den im Grundbuchverfahren geltenden Formanforderungen des § 29 Abs. 3 GBO für ein Behördenersuchen nicht. Erforderlich ist vielmehr eine individuelle Siegelung mit einem Prägesiegel oder einem Farbdruckstempel.
Mit Anmerkung von: Dipl.-Rechtspfleger Alexander Dressler, Großbeeren

GBO § 18 Abs. 1, §§ 19, 47 Abs. 2 Satz 2; Haager Kinderschutzübereinkommen (KSÜ) Art. 1 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1, 17 Abs. 1, 21 Abs. 1, 40 (Nachweis der Bewilligungsbefugnis) OLG München, Beschluss vom 10.2.2017, 34 Wx 175/16

Zum Nachweis der Bewilligungsbefugnis des für das minderjährige Kind handelnden gesetzlichen Vertreters bei Lebensmittelpunkt des Kindes im Vereinigten Königreich (England).

BGB § 1023 Abs. 1 Satz 2 (Teilbelastung des Grundstücks mit Leitungsrecht) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.2.2017, I-3 Wx 298/16

1. Soll lediglich die Teilfläche eines Grundstücks von einer Dienstbarkeit erfasst werden, wählen die Beteiligten hierbei die Gestaltungsmöglichkeit einer unechten Teilbelastung, indem sie die gesamten Grundstücke mit der Dienstbarkeit belasten, die Ausübung allerdings – zulässigerweise (§ 1023 Abs. 1 Satz 2 BGB) – auf Teilflächen beschränken wollen und legen die Beteiligten die Ausübungsstelle der Dienstbarkeit rechtsgeschäftlich fest, so ist die Bezeichnung der Ausübungsstelle in die Eintragung bzw. in die Eintragungsbewilligung mit aufzunehmen und muss hinreichend bestimmt sein, wobei die Dienstbarkeitsurkunde hierzu förmlich auf einen Lageplan mit entsprechender Kennzeichnung verweisen kann und die Eintragungsbewilligung ausdrücklich auf eine solche Zeichnung Bezug nehmen muss.
2. Bei der Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit („. . . innerhalb eines Schutzstreifens von 2 m und einer Tiefe von ca. 1,40 m Kabel (. . .) im Erdreich zu verlegen, . . . . Der Kabelverlauf ist in dem dieser Urkunde als Anlage und Bestandteil beigefügten Lageplan rot eingezeichnet. . . .“) genügt die Bezugnahme auf den Lageplan im Maßstab 1:3000, in dem der geplante Trassenverlauf des Erdkabels unbemaßt eingezeichnet ist, dem im Grundbuchrecht hinsichtlich der Ausübungsstelle zu fordernden Bestimmtheitsgebot.

BGB § 1945; GBO § 22 Abs. 1, § 29 Abs. 1 und 3, § 35 Abs. 1 (Nachweis der Erbfolge) OLG München, Beschluss vom 9.1.2017, 34 Wx 396/16

Zum Nachweis der Erbfolge durch öffentliche Urkunde, wenn Grundbuchberichtigung durch Eintragung der Ersatzerben nach Ausschlagung der berufenen Erbin beantragt wird (im Anschluss an Senat vom 24.8.2016, 34 Wx 216/16 = RNotZ 2016, 683).

BGB §§ 164, 167; GBO § 19 (Wirksame Untervollmacht) KG, Beschluss vom 14.2.2017, 1 W 29-32/17

Eine zeitlich begrenzt erteilte Vollmacht schließt die Erteilung einer zeitlich unbeschränkten Untervollmacht grundsätzlich nicht aus. Ob der Hauptbevollmächtigte hierzu ermächtigt ist, hängt vom Willen des Geschäftsherrn bei Erteilung der Hauptvollmacht ab. Dient die Untervollmacht lediglich der Abwicklung eines von dem Hauptbevollmächtigten im Rahmen der ihm erteilten Vollmacht geschlossenen Grundstückskaufvertrags, ist von der Befugnis zur zeitlich unbeschränkten Unterbevollmächtigung auszugehen, wenn auch ein im eigenen Namen handelnder Verkäufer im Regelfall hierzu Vollmacht erteilen würde. Das ist im Hinblick auf eine dem Käufer erteilte Finanzierungsvollmacht der Fall (Fortführung von Senat, Beschluss vom 21. Dezember 1908 – 1 Wx 412/08 – KGJ 37, A 239).

BGB § 2113; GBO § 18 Abs. 1, § 51 (Verzicht des Nacherben) OLG München, Beschluss vom 3.2.2017, 34 Wx 470/16

Die Bewilligung der Löschung und der Verzicht auf die Eintragung des Nacherbenvermerks sind zulässig und als Verzicht des Nacherben auf den Schutz des Nacherbenvermerks zu verstehen, lassen aber die Zugehörigkeit des Nachlassgegenstandes zur Vorerbschaft unberührt (Anschluss an OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 228).

GBO § 53 Abs. 1 Satz 1, § 71 Abs. 2 Satz 2; ZPO § 775 Nr. 2, § 867 (Amtswiderspruch gegen Zwangssicherungshypothek) OLG München, Beschluss vom 8.2.2017, 34 Wx 29/17

Auch mit der Beschwerde kann ein Amtswiderspruch gegen die Eintragung einer Zwangshypothek nicht verlangt werden, wenn das Grundbuchamt bei der Eintragungstätigkeit gesetzliche Vorschriften nicht verletzt, sondern das Gesetz auf den ihm unterbreiteten – wenn auch unerkannt und bei gehöriger Prüfung nicht erkennbar unrichtigen oder unvollständigen – Sachverhalt richtig angewandt hat.

Familien-, Betreuungs- und Vormundschaftsrecht
VBVG § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2; FamFG § 61 Abs. 2; RPflG § 11 Abs. 2 (Höhe der Vergütung des Betreuers) BGH, Beschluss vom 12.4.2017, XII ZB 86/16

a) Die erfolgreich abgeschlossene Fortbildung zum „Zertifizierten Betreuer – Curator de jure“ an der Technischen Hochschule Deggendorf ist mit einer Ausbildung an einer Hochschule vergleichbar und rechtfertigt eine Erhöhung des dem Berufsbetreuer zu vergütenden Stundensatzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG.
b) Zur nachträglichen Zulassung der Beschwerde durch den Rechtspfleger.

FamFG §§ 59, 63 Abs. 3 Satz 2, § 304 Abs. 2; BGB § 2084 (Mittellosigkeit des Betreuten) BGH, Beschluss vom 1.2.2017, XII ZB 299/15

a) Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde beträgt für die Staatskasse in analoger Anwendung des § 304 Abs. 2 FamFG drei Monate. Sie beginnt mit der – auch formlos möglichen – Bekanntgabe der Beschwerdeentscheidung; § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG findet keine Anwendung.
b) Ob die durch ein Behindertentestament für den Betroffenen angeordnete (Vor-)Erbschaft bei gleichzeitiger Anordnung der Testamentsvollstreckung zur Mittellosigkeit des Betroffenen führt, ist durch Auslegung der an den Testamentsvollstrecker adressierten Verwaltungsanordnungen zu ermitteln (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 27. März 2013 – XII ZB 679/11 – FamRZ 2013, 874 [= Rpfleger 2013, 390]).

BGB §§ 1882, 1773 (Volljährigkeit, Gambia) HansOLG Bremen, Beschluss vom 7.2.2017, 5 UF 99/16

Die Vormundschaft für eine unbegleitet in die Bundesrepublik eingereiste Person endet mit deren Volljährigkeit. Hinsichtlich einer Person aus dem Staat Gambia ist die Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres anzunehmen.
Leitsatz der Redaktion

BGB § 1908i Abs. 1 S. 1, § 1836e Abs. 1 S. 1, § 1836 Abs. 1 S. 2; FamFG § 292 Abs. 1, § 168 (Rückforderung der Betreuervergütung) LG Kleve, Beschluss vom 23.01.2017, 4 T 515/16

1. Die Verjährung des Regressanspruchs der Staatskasse gegen den Betreuten wegen gezahlter Betreuervergütung ist erst gehemmt, wenn der Festsetzungsbeschluss ordnungsgemäß bekanntgegeben worden ist.
2. Wenn für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet ist, ist die ordnungsgemäße Bekanntgabe des Beschlusses an den Betreuer für die Verjährungshemmung maßgeblich.
3. Die formlose Übersendung des Festsetzungsbeschlusses ist keine ordnungsgemäße Bekanntgabe.

Erb- und Nachlassrecht
ZPO § 1066; BGB § 2227 (Entlassung des Testamentsvollstreckers durch Schiedsgericht) BGH, Beschluss vom 17.5.2017, IV ZB 25/16

Streitigkeiten über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers können in einer letztwilligen Verfügung nicht einseitig durch den Erblasser unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit einem Schiedsgericht zugewiesen werden.

BGB § 2250 Abs. 2 (Wirksamkeit eines Nottestamentes) OLG Hamm, Beschluss vom 10.2.2017, 15 W 587/15

1. Für die Feststellung einer nahen Todesgefahr im Sinne des § 2250 Abs. 2 BGB ist maßgeblich auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem sich der Erblasser zur Errichtung eines Testaments entschließt. Unschädlich ist, dass ihm bereits zuvor ein hinreichender Zeitraum zur Verfügung stand, um einen Notar für eine Testamentserrichtung hinzuziehen.
2. Für die objektive Feststellung einer nahen Todesgefahr im Sinne des § 2250 Abs. 2 BGB reicht es nicht aus, dass der Erblasser an einer bösartigen metastasierenden Grunderkrankung litt, aufgrund der er nach der Bewertung des als Zeugen tätigen behandelnden Arztes innerhalb von ein bis zwei Tagen versterben konnte.
3. Dies gilt auch dann, wenn der nach Ziff. 1) maßgebende Zeitpunkt auf einen Samstagvormittag fällt, in dem die Erreichbarkeit eines Notars unter großstädtischen Verhältnissen erschwert, aber nicht ausgeschlossen ist.

BGB §§ 2084, 2137 Abs. 2; GBO § 53 Abs. 1, § 71 Abs. 2 (Befreite Vorerbschaft) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.1.2017, I-3 Wx 307/16

1. Steht fest, dass der Erblasser Nacherbfolge angeordnet hat, so ist durch individuelle Auslegung zu ermitteln, ob er den Vorerben völlig oder nur teilweise befreien wollte; nur wenn sich dies nicht eindeutig klären lässt, greift die (widerlegbare) Auslegungsregel des § 2137 Abs. 2 BGB.
2. Berufen Ehegatten einander in einem Erbvertrag gegenseitig zum „alleinigen, unbefreiten Vorerben“ und zu Nacherben ihre Kinder zu gleichen Teilen, kann die Auslegung ergeben, dass der Längstlebende (nur) über das „ererbte“ bewegliche Vermögen frei verfügen können sollte, nicht hingegen, dass die Eheleute in Bezug auf vorhandenes Grundeigentum bzw. eine Erbbauberechtigung eine Befreiung zugunsten des Längstlebenden von den gesetzlichen Beschränkungen seiner Stellung als Vorerben gewollt haben.
Leitsatz der Redaktion zu 2.

Handels-, Gesellschafts- und Registerrecht
PartGG § 5 Abs. 1, § 3 Abs. 2 (Eintragungsfähigkeit des Doktortitels) BGH, Beschluss vom 4.4.2017, II ZB 10/16

Doktortitel sind aufgrund Gewohnheitsrechts in das Partnerschaftsregister eintragungsfähig.

GBO § 18; FamFG § 382 Abs. 4 Satz 1, § 394 (Löschung einer GmbH) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1.2.2017, I-3 Wx 300/16

1. Zeigt das Registergericht der beteiligten Gesellschaft (hier: GmbH) in einem Verfahren über die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit durch ein mit Rechtsmittelbelehrung versehenes Schreiben nicht nur die Möglichkeit auf, den Eintragungsantrag zurückzunehmen und zu gegebener Zeit neu anzubringen, sondern stellt es hierneben den Vollzug ihres Antrages für den Fall in Aussicht, dass sie im vorliegenden Verfahren noch Nachweise erbringt (hier: Zustimmung des Finanzamts zur Löschung), so richtet sich das hiergegen eingelegte Rechtsmittel gegen eine anfechtbare Zwischenverfügung.
2. Hat die Gesellschaft den Geschäftsbetrieb endgültig eingestellt, verfügt sie über kein Vermögen mehr und stehen lediglich Steuernachforderungen in Rede, so hängt die Vollzugsreife des Antrags auf Eintragung der Löschung mangels einer potentiellen Auswirkung auf das verwertbare Gesellschaftsvermögen nicht von dem Einverständnis der Finanzverwaltung ab.

Prozesskosten-, Verfahrenskosten- und Beratungshilfe
ZPO §§ 103, 126, 727, 730, 733, 750 (Wahlrecht, Kostenfestsetzung) OLG Koblenz, Beschluss vom 6.2.2017, 14 W 47/17

1. Der Rechtsanwalt hat ein Wahlrecht, ob er die Kostenfestsetzung für die Partei oder für sich als Bevollmächtigter beantragt.
2. Sofern der Kostenfestsetzungsbeschluss für die Partei beantragt und zu ihren Gunsten erlassen wurde, setzt die Umschreibung auf einen Sozius der bevollmächtigten Kanzlei den nach § 727 ZPO formgerechten Nachweis der Rechtsnachfolge nach der Partei voraus.

ZPO § 124 Abs. 4 (Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe) Brandenbg. OLG, Beschluss vom 2.12.2016, 15 WF 195/16

Eine VKH-Partei handelt grob nachlässig, wenn sie trotz explizitem Hinweis des Gerichts eine Änderung ihrer Anschrift nicht unverzüglich anzeigt.
Mit Anmerkung von: Dipl.-Rechtspfleger (FH) Andreas Erdmann, Tauche

Zivilprozess und Zwangsvollstreckung
InsO § 36 Abs. 1 Satz 2; ZPO §§ 850i, 850a Nr. 3 Fall 1 (Aufwandsentschädigung, Entschädigung für Zeitversäumnis) BGH, Beschluss vom 6.4.2017, IX ZB 40/16

1. Eine unpfändbare Aufwandsentschädigung liegt dann vor, wenn nach der vertraglichen Vereinbarung oder der gesetzlichen Regelung der Zweck der Zahlung ist, tatsächlichen Aufwand des Schuldners auszugleichen. Dies hat der Schuldner darzulegen. Keine Aufwandsentschädigung ist gegeben, wenn die Tätigkeit des Schuldners selbst vergütet werden soll.
2. Entschädigungen für Zeitversäumnisse sind pfändbar.

ZPO § 882e Abs. 3 Nr. 2 (Löschung der Eintragung aus dem Schuldnerverzeichnis) BGH, Beschluss vom 9.2.2017, I ZB 56/16

Eine nach der Eintragung im Schuldnerverzeichnis abgeschlossene Ratenzahlungsvereinbarung stellt keinen Grund für die vorzeitige Löschung der Eintragung dar, wenn der Löschungsantrag erst gestellt wird, nachdem die Eintragungsanordnung unanfechtbar geworden ist.

Insolvenzrecht
InsO § 63 Abs. 1 Satz 2; InsVV § 1 Abs. 1 Satz 1, § 6 Abs. 1 (Erhöhung der Berechnungsgrundlage) BGH, Beschluss vom 6.4.2017, IX ZB 3/16

Massezuflüsse zwischen dem Vollzug der Schlussverteilung und der Beendigung des Insolvenzverfahrens erhöhen die Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters. Konnten sie bei der bereits erfolgten Festsetzung der Vergütung noch nicht berücksichtigt werden, kann der Insolvenzverwalter eine ergänzende Festsetzung beantragen.

InsVV § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. B (Vergütung des Insolvenzverwalters) BGH, Beschluss vom 2.3.2017, IX ZB 90/15

Führt der vorläufige Insolvenzverwalter den Betrieb des Schuldners fort, ist auch der Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters nur der daraus erzielte Überschuss zugrunde zu legen; im Eröffnungsverfahren begründete, aber bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichene Masseverbindlichkeiten sind regelmäßig vom Wert der Insolvenzmasse abzusetzen.

InsVV § 3 Abs. 2, § 13 (Vergütung des Insolvenzverwalters) BGH, Beschluss vom 6.4.2017, IX ZB 48/16

1. Geht die Tätigkeit des Insolvenzverwalters in einem Verbraucherinsolvenzverfahren tatsächlich nicht über die Tätigkeit eines Treuhänders nach §§ 313 ff InsO a. F. hinaus, kann dies nach den Umständen des Einzelfalls einen Abschlag rechtfertigen, der dazu führt, dass sich der Vergütungssatz des Insolvenzverwalters im Ergebnis am bisherigen Vergütungssatz für einen Treuhänder orientiert.
2. Für die Frage, ob die Zahl der Gläubiger gering ist, kommt es auf die Zahl der Gläubiger an, die sich am Insolvenzverfahren beteiligen.
3. Die Ermäßigung der Mindestvergütung des Insolvenzverwalters in Verbraucherinsolvenzverfahren ist auf Fälle, in denen die Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 InsVV zum Tragen kommt, weder direkt noch analog anzuwenden.

Straf-, Strafverfahrens- und Strafvollstreckungsrecht
RVG § 51 Abs. 2 Satz 1; StPO § 462 a (Zuständigkeit für Pauschvergütungsantrag) OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8.12.2016, 3 AR 72/16

In dem Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer nach § 462 a StPO (wie auch nach dem StVollzG) ist diese das Gericht des ersten Rechtzugs i. S. d. § 51 Abs. 2 Satz 1 RVG.

OWiG § 96 Abs. 1 und 2 Satz 1 (Erzwingungshaft) LG Potsdam, Beschluss vom 24.4.2017, 24 Qs 16/17

1. Die Erzwingungshaft darf nicht bedingt für den Fall aufrechterhalten werden, dass der Betroffene künftig die Ratenzahlungsverpflichtungen nicht einhält.
2. Ist der Betroffene wirtschaftlich nicht in der Lage, die gesamte Geldbuße sofort zu entrichten und bewilligt ihm das Gericht oder die Vollstreckungsbehörde aus diesem Grund Zahlungserleichterungen, kommt Erzwingungshaft nur wegen der jeweils fälligen Teilraten in Betracht.
3. Die angemessene Dauer der Erzwingungshaft ist nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes festzusetzen. Zu den Kriterien, die für die Dauer eine Rolle spielen, gehört auch die Höhe der Geldbuße (vgl. LG Potsdam, Rpfleger 2016, 310, 311).

Kostenrecht
RVG VV Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 (Umfang der Kostengrundentscheidung) BGH, Beschluss vom 7.2.2017, VI ZB 43/16

1. Für die Prüfung der Frage, ob die Kostengrundentscheidung und damit der prozessuale Kostenerstattungsanspruch die gebührenauslösende Tätigkeit des Rechtsanwalts – im Falle der Terminsgebühr gemäß Vorbemerkung3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 RVG VV die auf Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete außergerichtliche Besprechung – erfasst, ist von Bedeutung, welche Reichweite die konkrete Kostengrundentscheidung formal hat, insbesondere, welche Verfahrensabschnitte sie einschließt. Etwaige ihr zeitlich nachfolgende Verfahrensabschnitte und die mit diesen zusammenhängende anwaltliche Tätigkeit kann eine Kostengrundentscheidung schon formal nicht erfassen.
2. Die Kostengrundentscheidung in einem Beschluss, mit welchem eine einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung erlassen wurde, erfasst das einstweilige Verfügungsverfahren lediglich bis zum Erlass dieses Beschlusses. Eine außergerichtliche Besprechung, die auf die Vermeidung eines Widerspruchs gegen die einstweilige Verfügung gerichtet ist, kann nicht der ihr vorausgegangenen Kostengrundentscheidung zugeordnet werden, mit der Folge, dass für den Fall, dass Widerspruch nicht eingelegt wird, die Terminsgebühr nicht gemäß §§ 103 f. ZPO festsetzungsfähig ist.

RVG VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 und Satz 5 (Anrechnung der Geschäftsgebühr) BGH, Beschluss vom 28.2.2017, I ZB 55/16

Fällt die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts mehrfach an und werden die vorgerichtlich geltend gemachten Ansprüche im Wege objektiver Klagehäufung in einem einzigen gerichtlichen Verfahren verfolgt, so dass die Verfahrensgebühr nur einmal anfällt, sind alle entstandenen Geschäftsgebühren in der tatsächlichen Höhe anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.

ZPO §§ 91, 104, 143; GVG § 184; JVEG § 11 (Übersetzungskosten) OLG Koblenz, Beschluss vom 20.1.2017, 14 W 22/17

Die Kosten der Übersetzung einer fremdsprachlichen Urkunde (hier: Gutachten) sind erstattungsfähig, soweit deren Kenntnisnahme Teil einer schlüssigen Rechtsverteidigung ist. Einer gerichtlichen Anordnung der Übersetzung bedarf es dafür nicht.

ZPO §§ 78, 81, 85, 103, 104, 172, 233, 569 (Zustellung des KfB) OLG Koblenz, Beschluss vom 15.3.2017, 14 W 112/17

Der Kostenfestsetzungsbeschluss kann wirksam dem im Prozess bestellten Bevollmächtigten zugestellt werden. Ob und wann die Partei von dem Kostenfestsetzungsbeschluss Kenntnis erlangt, ist für den Beginn der Beschwerdefrist unerheblich.

Gesetzgebungsreport

Berichtszeitraum vom 26.5.2017 – 25.6.2017

BGBl. I
Zweiundfünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften vom 23. Mai 2017, BGBl. I 2017 S. 1226
Gesetz zur Neuordnung der Aufbewahrung von Notariatsunterlagen und zur Einrichtung des Elektronischen Urkundenarchivs bei der Bundesnotarkammer sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 1. Juni 2017, BGBl. I 2017 S. 1396
Fünftes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 1. Juni 2017, BGBl. I 2017 S. 1414
Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren vom 5. Juni 2017, BGBl. I 2017 S. 1476
Gesetz zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts vom 11. Juni 2017, BGBl. I 2017 S. 1607
Dreiundfünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Ausweitung des Maßregelrechts bei extremistischen Straftätern vom 11. Juni 2017, BGBl. I 2017 S. 1612
BGBl. II
Bekanntmachung zum Haager Übereinkommen über den Zivilprozess, zum Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen, zum Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen, zum Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, zum Haager Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation und zum Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 26. April 2017 , BGBl. II 2017 S. 601
Länderreport
Baden-Württemberg
Gesetz zur Neutralität bei Gerichten und Staatsanwaltschaften des Landes vom 23. Mai 2017, GVBl. 2017 S. 265
Niedersachsen
Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes vom 15. Juni 2017, GVBl. 2017 S. 172

Schrifttumshinweise

Sachen- und Grundbuchrecht

Böhringer, Formelle Spitzfindigkeiten im Grundstücksverkehr, BWNotZ 2017, 30
Böttcher, Entwicklungen beim Erbbaurecht und Wohnungseigentum 2016, (2), ZNotP 2017, 93
Rupietta, Die Erklärung der Auflassung in einem gerichtlichen Vergleich, ZfIR 2017, 381

Familien-, Betreuungs- und Vormundschaftsrecht

Benner, Gesellschaften bürgerlichen Rechts als Instrument ambulant betreuter Wohngemeinschaften, NZS 2017, 447
Fischer/Rohrmann, Der Sozialbericht der Betreuungsbehörde – Das unbekannte Wesen, BtPrax 2017, 99
Grziwotz, Recht auf Stiefkindadoption in faktischen Lebensgemeinschaften? NJW 2017, 1646
Lipp/Güttler, Betreuungsrechtliche Unterbringung: Nur in der Psychiatrie? BtPrax 2017, 94
Viefhues, Der Unterhalt des volljährigen Kindes. Teil 1: Materiell-rechtliche Fragen, ZAP Fach 11, 1391
Weller, Die Reform der EuEheVO, IPrax 2017, 222

Erb- und Nachlassrecht

Dörner, Die internationale Zuständigkeit zur Ausstellung eines deutschen Erbscheins, DNotZ 2017, 407
Große-Wilde, Die Rechtsprechung zum Erbrecht 1. Halbjahr 2016, MDR 2017, 494
Schmitz, Das Europäische Nachlasszeugnis, RNotZ 2017, 269

Handels- und Registerrecht

Birkefeld/Schäfer, Die neue Gesellschafterliste nach §?40 Abs.?1 GmbHG Prozente, Prozente, Prozente! und am Ende haftet der Geschäftsführer? BB 2017, 2755
Heinze, Anteilsabtretung bei GmbH Besonderheiten im Handelsregisterverfahren; Fragen des § 25 Abs. 2 HGB. ZNotP 2017, 335
Röcken, Entwicklung des Vereinsrechts, MDR 2017, 1282

Prozesskosten- und Beratungshilfe

Nickel, Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Prozess- und Beratungshilfe im Jahr 2016, MDR 2017, 499

Zivilprozess und Zwangsvollstreckung

Burrer, Die Frage der Prozesskostensicherheit bei auslandsdeutschen Klägern und das Haager Übereinkommen über den Zivilprozess, IPrax 2017, 254
Gruber, Die Überleitung eines europäischen Mahnverfahrens in ein Erkenntnisverfahren, IPrax 2017, 259
Hesterberg/Mathey, Grenzüberschreitende Zustellungen innerhalb der Europäischen Union nach VO (EG) Nr. 1393/2007, DGVZ 2017, 98
Rohls/Mekat, Das Zusammenspiel der Vorschriften der EuZustVO und der ZRHO bei der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke an fremde Staaten, IPrax 2017, 239
Weimann/Heukamp, Die grenzüberschreitende vorläufige Kontenpfändung, MDR 2017, 673

Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung

Drasdo, Rechte und Pflichten des Zwangsverwalters, NJW 2017, 1709
Goldbach, Die öffentliche Hand in Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung, ZfIR 2017, 384
Mast/Kogel, Die Niedrigstgebotstheorie im ZVG – vor allem ein familienrechtliches Thema! FamRZ 2017, 954

Insolvenzrecht

Ahrens, Zahlungs- oder Pfändungsschutzkonto in der Insolvenz, NJW-Spezial 2017, 341
Büttner, Akteneinsicht und Kontoauszug im Insolvenzeröffnungsverfahren natürlicher Personen? ZVI 2017, 213
Haberzettl, Die Freigabe im Insolvenzverfahren, NZI 2017, 474
Joannidis/Malso/Weiß, Nochmals zum Nachlassinsolvenzverfahren: Vergütung/Anfechtung/Steuern, ZInsO 2017, 1192
Laroche, Das Insolvenzantragsrecht der Staatsanwaltschaft in der Praxis, ZInsO 2017, 1245
Lissner, Spezielle Fragen beim Arbeitseinkommen in der Insolvenz, Teil II: Das P-Konto, ZVI 2017, 222
Thole, Die neue Europäische Insolvenzverordnung, IPrax 2017, 213
Vallender, Insolvenzrecht. Die Europäische Insolvenzordnung in erneuertem Gewand, ZAP Fach 14, 789
Wenner, Die Reform der EuInsVO – Ein Verriss, ZIP 2017, 1137

Kostenrecht

Enders, Reisekosten des Rechtsanwalts bei Antritt der Reise von der Wohnung aus, JurBüro 2017, 225
Lissner, Die Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums Baden-Württemberg über die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung (VwV Vergütungsfestsetzung) und ihre Folgen – ein Vorbild auch für andere Bundesländer? JurBüro 2017, 233
Schneider, N., Einigungsgebühr bei Bedingung, Rücktritt, Widerruf und Anfechtung, NJW-Spezial 2017, 347
Schneider, N., Anwaltsgebühren. Reisekosten. Aktuelle Rechtsprechung zur Kostenerstattung und zur Abrechnung in PKH- und VKH-Mandaten, ZAP Fach 24 S. 1555
Thiel, Kosten in selbständigen Beweisverfahren in Zugewinnsachen, AGS 2017, 261
Volpert, GNotKG – Ausgewählte kostenrechtliche Problemstellungen aus Sicht der Kostenprüfung (Update) – Teil 1, RNotZ 2017, 291

Buchbesprechungen

Materielles Liegenschaftsrecht im Grundbuchverfahren.
Studienbuch von Dieter Leesmeister und Robert Ramm. Verlag Ernst und Werner Gieseking GmbH, Bielefeld. 4. Auflage, 2016. XXIII, 386 Seiten, 49,– Euro, ISBN 978-3-7694-1164-5 Dipl.-Rechtspfleger Alexander Dressler, Großbeeren
Familienvermögensrecht.
Dr. Ludwig Bergschneider (Hrsg.). 3. Auflage 2016. Verlag Ernst und Werner Gieseking, Bielefeld. 1470 Seiten, geb., 119,80 Euro. ISBN 978-3-7694-1133-1 Uwe Harm, Rechtspfleger beim Amtsgericht Bad Segeberg
Insolvenzrecht. Kommentar.
Herausgeber Prof. Dr. Martin Ahrens, Prof. Dr. Markus Gehrlein und Dr. Andreas Ringstmeier. 3. Auflage 2017. Luchterhand Verlag/Wolters Kluwer. XLIV, 3539 Seiten, geb. 189,– Euro, ISBN 978-3-4720-8669-7 Rechtspflegerin Beate Schmidberger, Heilbronn

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