Heft 9/2025 (September 2025)

Räumungsschutz

BVerfG, Beschluss v. 18.5.2025, 2 BvQ 32/25

1. Die Vollstreckungsgerichte haben in ihrerVerfahrensgestaltung die erforderlichenVorkehrungen zu treffen, damit Verfassungsverletzungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausgeschlossen werden und dadurch der sich aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ergebenden Schutzpflicht staatlicher Organe Genüge getan wird.

2. Macht derVollstreckungsschuldner für den Fall einer Zwangsräumung substantiiert ihm drohende schwerwiegende Gesund- heitsgefahren geltend, haben sich die Tatsacheninstanzen – beim Fehlen eigener Sachkunde – zur Achtung verfassungsrechtlich verbürgter Rechtspositionen wie in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG regelmäßig mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon zu verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen mit einem Umzug verbunden sind.

 

Vertretung einer atypischen KG auf Aktien

BGH, Beschluss v. 7.5.2025, II ZB 2/24

Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, deren einzige persönlich haftende Gesellschafterin keine natürliche Person ist (atypische Kommanditgesellschaft auf Aktien), wird bei Rechtsgeschäften mit ihrer Komplementärgesellschaft von ihrem Aufsichtsrat vertreten (Fortführung von BGH, Urteil v. 29.11.2004 – II ZR 364/02, ZIP 2005, 348).

 

Funktionelle Zuständigkeit, Testamentsauslegung

OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 11.1.2025, 20 W 169/23

„Einwände“ im Sinne von § 19 Abs. 2 RPflG (bzw. § 26 Abs. 1 Satz 2 JuZuV) gegen den Erlass einer Entscheidung sind nicht solche, die lediglich der Rechtspfleger erhebt, der die beantragte Entscheidung zurückweisen will (Abgrenzung zu OLG Oldenburg, Beschluss v. 21.8.2024 – 3W53/24, Rpfleger2024, 742 und zu OLG München, Beschluss v. 18.12.2024 – 33 Wx 153/24 e, Rpfleger 2025, 229).

 

Grundbuchfähigkeit des Idealvereins

OLG Braunschweig, Beschluss v. 11.6.2025, 2 W 47/25

Auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) am 1.1.2024 ist ein Verein ohne Rechtspersönlichkeit grundbuchfähig, so dass es keiner Voreintragung im Vereinsregister bedarf.

 

Einbenennung nach neuem Recht

OLG Karlsruhe, Beschluss v. 20.5.2025, 5 WF 4/25

Nach der seit dem 1.5.2025 geltenden Regelung des § 1617e Abs. 2 Satz 2 BGB bedarf es für die Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils in die Einbenennung eines Kindes lediglich einer Abwägung der widerstreitenden Interessen. Für die Ersetzung genügt nunmehr ein einfaches Überwiegen der Interessen, die für eine Einbenennung streiten.

 

Geltendmachung von Kindesunterhalt im paritätischen Wechselmodell

OLG Dresden, Beschluss v. 11.3.2025, 23 UF 833/24

Bei der Geltendmachung von Kindesunterhalt im paritätischen Wechselmodell bei verheirateten Eltern ist die Regelung des § 1629 Abs. 2 i.V. m. § 1824 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BGB teleologisch zu reduzieren.

 

Testamentsauslegung, gemeinschaftliches Testament (mit Anm. Heinemann)

OLG Naumburg, Beschluss v. 8.1.2025, 2 Wx 82/23

1. Die individuelle Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments hat Vorrang vor der Anwendung der Auslegungsregel des § 2269 BGB.

2. Ist im Wege der Auslegung nach §§ 133, 2084 BGB zweifelsfrei zu ermitteln, dass der Längerlebende von beiden Testatoren jeweils als Vollerbe des Erstversterbenden eingesetzt wurde, so ergibt sich hieraus auch ohne Anwendung der Auslegungsregel des § 2269 BGB, dass die Eheleute das Gestaltungsprinzip der sog. Einheitslösung wählten.

3. Auch in sog. Patchwork-Familien bedarf es konkreter Anhaltspunkte im gemeinschaftlichen Testament für die Wahl einer sog. Trennungslösung. Allein der Umstand, dass die Eheleute zu Lebzeiten getrennte Konten führten, lässt noch nicht den sicheren Schluss zu, dass sie ihre jeweiligen Vermögen auch im Todesfalle als getrennte Vermögen weiterführen (lassen) wollten.

 

Aufhebung bewilligter Prozesskostenhilfe

OLG Brandenburg, Beschluss v. 30.5.2025, 6 W 30/25

1. Bei Vorliegen eines Aufhebungsgrundes ist die Bewilligung grundsätzlich aufzuheben und hat nur in atypischen Ausnahmefällen zu unterbleiben.

2. Eine Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wegen absichtlicher oder aus grober Nachlässigkeit gemachter falscher Angaben nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO setzt nicht voraus, dass die Bewilligung auf einer falschen Angabe beruht. Ungeachtet davon, ob eine Falschangabe zu einer objektiv unrichtigen Bewilligung geführt hat, rechtfertigen allein absichtlich oder grob fahrlässig falsche gemachte Angaben die Aufhebung der Bewilligung nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO.

 

Zuschlag an Miteigentümer

OLG Bamberg, Beschluss v. 25.4.2025, 10 Wx 6/25 e

Der Zuschlag bei einer Zwangsversteigerung führt nicht zu einem Eigentumsübergang vom bisherigen Eigentümer, etwa einer Gesamthandsgemeinschaft, auf den Höchstbietenden, sondern begründet einen originären Eigentumserwerb, weshalb es bei einem Grundstückserwerb für das höchstbietende Mitglied einer solchen Gemeinschaft keine Gebührenprivilegierung nach § 70 Abs. 2 GNotKG gibt.

 

Sachantrag, Anzeige der Verteidigungsbereitschaft

OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 2.7.2025, 30 W 92/25

1. Die bloße Anzeige der Verteidigungsbereitschaft stellt keinen Sachantrag in Sinne von VV RVG Nr. 3101 Nr. 1 dar. Sie führt daher nur zur Entstehung einer 0,8-fachen Verfahrensgebühr, die sich aus dem Wert der Hauptsache berechnet.

2. Der Kostenantrag nach § 269 Abs. 3, 4 ZPO stellt einen Sachantrag im Sinne von VV RVG Nr. 3101 Nr. 1 dar. Dieser lässt die 1,3-fache Verfahrensgebühr nach VV RVG Nr. 3100 entstehen. Diese Gebühr berechnet sich aus dem Wert der bis zur Klagerücknahme angefallenen Kosten.

3. Beide Verfahrensgebühren entstehen nebeneinander und sind unter Beachtung der Begrenzung nach § 15 Abs. 3 RVG zu addieren.