Heft 9+10/2014 (September und Oktober 2014)

Vorschau
Steffen Kögel: Der Sturz des Gelben Engels oder über den Miss­brauch des Idealvereins zu Wirtschaftszwecken
Werner Bienwald: Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde
Klaus Rellermeyer. Varianten der landesrechtlichen Hinterlegungsgesetze: Ergänzung
 
Genehmigung der Einwilligung in eine Zwangs­behandlung
BGH, Beschluss vom 4.6.2014, XII ZB 121/14
1. Zu den materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Genehmigung der Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsmaßnahme.
2. Der gemäß § 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB erforderliche Überzeugungsversuch ist eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einwilligung durch den Betreuer, der mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entscheidende Bedeutung zukommt.
3. Der Überzeugungsversuch muss ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks durch ­eine überzeugungsfähige und -bereite Person unternommen worden sein, was das Gericht in jedem Einzelfall festzustellen und in seiner Entscheidung in nachprüfbarer Weise darzulegen hat.
4. Die gerichtliche Genehmigung der Einwilligung in eine Zwangsbehandlung bedeutet stets einen schwerwiegenden
Grundrechtseingriff im Sinn des § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG.
 
Kapitalbildende Lebensversicherung auf den Todesfall, Vermögen des Betroffenen
BGH, Beschluss vom 30.4.2014, XII ZB 632/13
1. Der Einsatz einer angemessenen finanziellen Vorsorge für den Todesfall für die Vergütung des Berufsbetreuers stellt für den Betreuten nur dann eine Härte i.S.v. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII dar, wenn die Zweckbindung verbindlich festgelegt ist.
2. Bei einer kapitalbildenden Lebensversicherung auf den Todesfall ist diese Voraussetzung in der Regel nicht erfüllt.
 
Vorausverfügung von Miete vor Beschlagnahme
BGH, Urteil vom 30.4.2014, VIII ZR 103/13
Eine in einem Mietvertrag mit fester Laufzeit als Einmalzahlung vereinbarte und vor der Beschlagnahme vollständig gezahlte Miete ist den Hypothekengläubigern gegenüber gemäß § 1124 Abs. 2 BGB insoweit unwirksam, als sie sich auf die (fiktive) anteilige Miete für eine spätere Zeit als den zur Zeit der Beschlag­nahme laufenden (beziehungsweise bei Beschlagnahme nach dem fünfzehnten Tage des Monats für eine spätere Zeit als den ersten Monat nach der Beschlagnahme) bezieht.
 
Kapitalisierte Zinsen
OLG Nürnberg, Beschluss vom 10.4.2014, 15 W 665/14
Die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek für kapitalisierte, im Vollstreckungstitel als solche nicht ausgewiesene Zinsen ist nicht zulässig.
 
Übergang der Notarakten, Vollmachten
KG, Beschluss vom 8.5.2014, 1 W 208/13
Wird einem Notar die Verwahrung der Akten eines aus dem Amt ausgeschiedenen Notars übertragen, gehen rechtsgeschäftlich erteilte wie gesetzlich vermutete Vollmachten auf den Aktenverwahrer über. Zum Nachweis seiner Vertretungsberechtigung genügt gegenüber dem Grundbuchamt regelmäßig sein Hinweis auf die Übertragung. Der Notar muss sich insbesondere nicht durch Vorlage des Verwaltungsakts der Landesjustizverwaltung ausweisen.
 
Nachlassverwaltung bezüglich insolvenzfreiem Vermögen
OLG München, Beschluss vom 28.4.2014, 31 Wx 5/14
Der Insolvenzverwalter des übergeleiteten Nachlassinsolvenzverfahrens ist nicht berechtigt, einen Antrag auf Nachlassverwaltung hinsichtlich des zu Lebzeiten des Schuldners insolvenzfreien Vermögens zu stellen.
 
Löschung der Gesellschaft, Steuerschulden
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.3.2014, I-3 Wx 48/14
Vom Finanzamt mit Blick auf ausstehende Veranlagungen und ein langwieriges Rechtsbehelfsverfahren vorgebrachte Bedenken stehen der Vollzugsreife der im Rahmen der Liquidation einer GmbH & Co KG zur Eintragung ins Handelsregister angemeldeten Eintragung („Die Gesellschaft ist durch Beschluss der ­Gesellschafter aufgelöst. Die Firma ist erloschen. Der Geschäftsbetrieb wurde ohne Liquidation eingestellt. Zu verteilendes Vermögen ist nicht vorhanden. … .“), nicht entgegen.
 
Kosten eines Anwalts am dritten Ort
OLG Nürnberg, Beschluss vom 3.4.2014, 5 W 262/14
Eine Stromnetzbetreiberin kann in Verfahren gegen Anlagenbetreiber nach dem EEG die Kosten eines Anwalts am dritten Ort erstattet erhalten, wenn dieser über Spezialkenntnisse verfügt und ein vergleichbarer Rechtsanwalt am Gerichtsort nicht zur Verfügung steht. Ein Anwalt, der regelmäßig die Anlagenbetreiberseite vertritt, verfügt nicht zwangsläufig über vergleichbare Spezialkenntnisse wie ein Anwalt, der in EEG-Sachen nahezu ausschließlich Netzbetreiber vertritt.
 
Anwaltliche Tätigkeit nach Einlegung der Revision
LG Köln, Beschluss vom 14.03.2014, 111 Qs 64/14 (+)
In dem Zeitraum, in welchem eine Revision seitens der Staatsanwaltschaft zwar eingelegt, jedoch noch nicht begründet ist, besteht nicht nur keine Notwendigkeit, sondern vielmehr auch objektiv keine Möglichkeit, einer einen Gebührenanspruch be­gründenden Rechtsberatung des Revisionsgegners. Eine über das erstinstanzliche Urteil hinausgehende Tätigkeit wird noch von der Gebühr des Ausgangsprozesses erfasst, soweit nicht ausnahmsweise eine anderweitige Tätigkeit des Verteidigers ersichtlich ist, die den Anfall der Gebühr rechtfertig – wie etwa umfangreiche Gespräche mit der Staatsanwaltschaft, welche in der Rücknahme des Rechtsmittels mündet.
 

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