Heft 1 / 2017 (Januar 2017)

Herausgeber, Beirat, Schriftleitung, Verlag
Zum 125. Jahrgang „Der Deutsche Rechtspfleger“ 1

Am 15. Dezember 1889 erschien die Nummer 1 im 1. Jahrgang der „Zeitschrift für rheinische Justiz-Subalternbeamte“. Sie wurde vom „Rheinischen Justizsubalternbeamten-Verein“ herausgegeben, dessen satzungsmäßiger Zweck, „Streben zur Vollkommenheit in den Berufspflichten und Pflege der Collegialität“, unter anderem durch eine periodisch erscheinende Fachzeitschrift erreicht werden sollte. So finden sich in der ersten Ausgabe neben standespolitischen Mitteilungen, wie Personal- und Vereinsnachrichten, auch eine Abhandlung zum Gerichtsschreiberamt und eine mit einer Anmerkung versehene Entscheidung des Reichsgerichts zur Entziehung des Armenrechts.
Die Zeitschrift verbreitete sich rasch über die Grenzen des Rheinlandes hinaus; zeitweise erschienen besondere Landesbeilagen vor allem für Preußen und Baden. Ihr Titel wurde in den folgenden Jahrzehnten konsequent der Entwicklung des Berufsstandes angepasst (ab Oktober 1899 „Zeitschrift für mittlere Justizbeamte“, ab 1906 „Zeitschrift für das Deutsche Gerichtssekretariat“, ab 1910 „Zeitschrift für Deutsche Justizsekretäre“ und ab Oktober 1920 „Zeitschrift des Bundes Deutscher Justizamtmänner“). Stets war sie aber, wie der ehemalige Schriftleiter Wenz in der Jubiläumsausgabe der Zeitschrift des Verbandes Preußischer Justizamtmänner 1924 bemerkte, wegen ihres in der Farbe der Hoffnung gehaltenen Umschlages unter dem Kosenamen „das grüne Heft“ bekannt.
Den heutigen Titel „Der Deutsche Rechtspfleger“ trug die Zeitschrift erstmals im Jahr 1931 (42. Jahrgang; das „Rumpfjahr“ 1889 mit nur einer Ausgabe und das folgende Jahr 1890 waren zusammen als ein Jahrgang gezählt worden) als „Ausdruck einer Entwicklung und einer Neugestaltung“, nachdem sich „eine grundsätzliche Veränderung im Wesen der Funktionen des Urkundsbeamten vollzogen“ hatte, „die nach außen hin dadurch wahrnehmbar wurde, daß er . . . die übertragenen Richtergeschäfte ,als Rechtspflegerwahrzunehmen hatte“ (so der damalige Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Justizamtmänner, Karl Schlegel, in der ersten Ausgabe des Jahres 1931).
Während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verlor „Der Deutsche Rechtspfleger“ vorübergehend seine Selbständigkeit. Von 1936 bis 1942 (47. bis 53. Jahrgang) ging er in den Zeitschriften „Deutsche Rechtspflege“ bzw. „Deutsches Recht B“ auf; dennoch wurde die Jahrgangszählung fortgeführt. 1943 und 1944 (54. und 55. Jahrgang) wurde die Zeitschrift wieder unter ihrem alten Titel herausgegeben, bevor die Kriegs- und Nachkriegszeit ihr weiteres Erscheinen unmöglich machten.
Am 15. November 1948 erstand „Der Deutsche Rechtspfleger“ unter der Herausgeberschaft von Ernst Peters und Hans Meyer und mit dem Schriftleiter Paul Wedewer im 56. Jahrgang neu. Der Präsident des Zentral-Justizamts für die Britische Zone, Wilhelm Kiesselbach, zeigte sich in seinem Geleitwort zur ersten
Ausgabe überzeugt, dass die Zeitschrift sich „in Kürze das gleiche Ansehen und die gleiche Anerkennung erwerben“ werde wie ihre Vorgänger. Die Herausgeber sahen die vornehmste Aufgabe der Zeitschrift darin, „an der Fortentwicklung des Rechts auf Grund der im Rechtspflegeramt gemachten Erfahrungen mitzuwirken und zu dem Neuaufbau der Justiz . . . beizutragen“; sie sollte „ihren Lesern eine Hilfe bei der praktischen Arbeit sein“ und „auch die Fortbildung der Rechtspfleger und die Ausbildung ihres Nachwuchses fördern.“ Der Rpfleger war damit auch „quasi die Urzelle der juristischen Publizistik im Verlag Gieseking“ (so der damalige Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Rechtspfleger, Hilmar Schmitt, in seiner Würdigung des Verlegers Werner Gieseking, RPflBl 1992, 51).
Den 100. Jahrgang der Zeitschrift würdigte der damalige Bundesminister der Justiz, Dr. Klaus Kinkel, in der ersten Ausgabe des Jahres 1992 als „ein besonders hervorzuhebendes Ereignis.“ Herausgebern und Schriftleitern sei es „über diesen langen Zeitraum bis heute gelungen . . ., den hohen Anforderungen . . . gerecht zu werden und die berechtigten Erwartungen ihrer Leserschaft zu befriedigen.“ Die Zeitschrift sei ihrer „Zielrichtung . . ., als wissenschaftliches Organ nur der Rechtswissenschaft und der Rechtspflege zu dienen und dem Rechtspfleger ein wirksames Fortbildungsmittel an die Hand zu geben, . . . treu geblieben.“
„Die Wandlungen im äußeren Erscheinungsbild der Zeitschrift und in ihrer Bezeichnung dokumentieren in geradezu einzigartiger Weise die Entwicklung des Berufes des Rechtspflegers.“ Der Rpfleger „hat das Entstehen unseres Berufes und die Ausgestaltung des Rechtspflegeramtes als die Fachzeitschrift dieses Organs der Rechtspflege begleitet.“ Er „ist das für die Arbeitsgebiete der Rechtspfleger maßgebliche Organ. Er wird aber nicht nur von Rechtspflegern gelesen und bei der täglichen Arbeit ausgewertet, sondern überall dort als zuverlässige Fachzeitschrift herangezogen und geschätzt, wo Entscheidungen aus dem Aufgabenbereich des Rechtspflegers getroffen werden müssen.“ Diese Einschätzung von Herausgebern, Schriftleiter und Verlag im Geleitwort zum 100. Jahrgang ist nach wie vor aktuell. Wir sind überzeugt, dass „Der Deutsche Rechtspfleger“ seinen Lesern angesichts stetiger Rechtsentwicklung auch im europäischen Bereich und neuer Herausforderungen wie dem elektronischen Rechtsverkehr weiterhin ein zuverlässiger Begleiter sein wird.

Abhandlungen

Prof. Dr. Dr. h. c. Walter Zimmermann:
Das Europäische Nachlasszeugnis für Nachlasspfleger 2

I. Allgemeines
II. Auf die Nachlasspflegschaft anzuwendendes Recht
1. Anwendungsbereich der EuErbVO
2.Internationale Zuständigkeit für die Nachlasspflegschaft
a) Allgemeine Regelungen
b) Sonderzuständigkeit nach Art. 19 EuErbVO
3. Das auf die Nachlasspflegschaft anzuwendende Recht
III.Das Europäische Nachlasszeugnis für den Nachlasspfleger
1. Überblick
2. Zuständigkeit
a) Internationale Zuständigkeit
b) Örtliche Zuständigkeit
c) Sachliche Zuständigkeit
d) Funktionelle Zuständigkeit
3. Der Antrag auf Ausstellung des ENZ
a) Antrag
b) Antragsberechtigung
c) Antragsinhalt
d) Verfahren des Nachlassgerichts
4.Auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendendes Recht
a) Allgemeines
b) Vorrangige Staatsverträge
c) EuErbVO
5. Erteilung des ENZ
6. Ausfüllhinweise zum ENZ-Formular
a) Formblatt V
b) Formblatt V Anlage VI
c) Gültigkeitsdauer der beglaubigten Abschrift des ENZ
7. Wirkungen des ENZ
a) Rechtliche Wirkungen
b) Tatsächliche Akzeptanz
8. Aussetzung der Wirkungen des ENZ
9. Widerruf des ENZ
10. Ablehnung der Erteilung eines ENZ
11. Rechtsmittel
12. Kosten
a) Gebühren
b) Geschäftswert
IV. Erbenermittlung in den Mitgliedstaaten
V.Anerkennung und Vollstreckung sonstiger Nachlasspflegschafts-Entscheidungen

Dipl.-Rechtspflegerin (FH) Kristina Weissinger:
Ruhen der elterlichen Sorge und Vormundschaft für unbegleitet einreisende Minderjährige 8

I. Internationale Zuständigkeit
II. Örtliche Zuständigkeit
III. Anwendbares Recht
IV. Feststellung längerfristige Verhinderung der Ausübung der elterlichen Sorge und Anordnung Vormundschaft
V. Auswahl Vormund
VI. Einstweilige Anordnung
VII.Führung der Vormundschaft durch einen Familienangehörigen des unbegleiteten Kindes – Chancen und Probleme in der Praxis –
VIII.Parallelität zwischen Vormundschaft und Ergänzungspflegschaft, Mitvormundschaften
IX. Beendigung der Vormundschaft
Entscheidung könne Rechtsklarheit im Einzelfall erreicht werden.
X. Fazit und Ausblick

Dipl.-Rechtspfleger (FH) Hagen Schneider:
Einschränkung der persönlichen Kostenfreiheit in Nachlasssachen 13

I. Begriffe
II. Grundsätzliche Regelungen
III. Besonderheiten in Nachlasssachen
1.Inanspruchnahme von persönlich befreiten Kostenschuldnern
2. Ausnahmecharakter von § 2 Abs. 4 GNotKG
3. Verfahren nach § 24 GNotKG
4.Folgen der Regelung des § 2 Abs. 4 GNotKG – Inanspruchnahme des befreiten Kostenschuldners
5. Fiskus als Erbe
IV. Beschränkung der Erbenhaftung

Rechtsprechung

Rechtspflegerrecht
FamFG § 26; RPflG §§ 16, 19; VO zur Änderung der VO zur Aufhebung von Richtervorbehalten im Betreuungsverfahren vom 30.7.2016 § 1 a Abs. 2 (Sachaufklärung, Richtervorbehalt) OLG München, Beschluss vom 13.9.2016, 31 Wx 99/16

1. Das Nachlassgericht ist verpflichtet, die wahre Rechtslage von Amts wegen aufzuklären. Daher ist der Antragsteller nicht gehindert, im weiteren Verfahren von seiner zunächst geäußerten Ansicht des Eintritts gesetzlicher Erbfolge abzurücken und später ein Erbrecht aufgrund gewillkürter Erbfolge in Anspruch zu nehmen.
2. Die funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers in Nachlasssachen ist nicht mehr gegeben, wenn in Angelegenheiten nach § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG i. V. m. § 1a Abs. 2 VO zur Änderung der VO zur Aufhebung von Richtervorbehalten im Betreuungsverfahren vom 30.7.2016 gegen den Erlass der beantragten Entscheidung Einwände vorgebracht werden; in diesen Fällen verbleibt es bei der Zuständigkeit des Nachlassrichters.

RPflG § 16 Abs. 1 Nr. 17 (Richterzuständigkeit, Einziehung eines Erbscheins) OLG Hamm, Beschluss vom 25.5.2016, 15 W 210/16

Es ist unabhängig vom Verfahrensergebnis die funktionelle Zuständigkeit des Richters des Nachlassgerichts begründet, wenn eine letztwillige Verfügung den Anlass zur Prüfung gibt, ob ein vom Rechtspfleger aufgrund gesetzlicher Erbfolge erteilter Erbschein einzuziehen ist.

Sachen- und Grundbuchrecht
BGB §§ 899a, 1276; GBO § 22, § 47 Abs. 2 (Verpfändung eines Gesellschaftsanteils) BGH, Beschluss vom 20.5.2016, V ZB 142/15 – KG

Mit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts scheidet die Eintragung der Verpfändung eines Gesellschaftsanteils in das Grundbuch eines im Eigentum der Gesellschaft stehenden Grundstücks aus.

BGB §§ 883, 885 (Inhalt einer Auflassungsvormerkung) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3.6.2016, I-3 Wx 99/16

Ist eine aus zwei Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts Eigentümerin eines Grundstücks, so handelt es sich bei einem Anspruch des einen Gesellschafters auf Übertragung der Gesellschaftsanteile des anderen nicht um einen im Wege der Vormerkung (§ 883 BGB) sicherungsfähigen „Anspruch auf Verschaffung eines eintragungsfähigen Grundstücksrechts“.

BGB § 1193; GBO § 53 Abs. 1; ZPO §§ 726, 794 Abs. 1 Nr. 5, §§ 795, 797 Abs. 2, § 867 (Wirksame Vollstreckungsklausel, Nachweisverzicht) OLG München, Beschluss vom 23.6.2016, 34 Wx 189/16

1. Im Verfahren auf Eintragung einer Zwangshypothek verletzt das Grundbuchamt nicht gesetzliche Vorschriften, wenn es eine mit dem Titel vorgelegte einfache Vollstreckungsklausel nicht daraufhin überprüft, ob stattdessen eine qualifizierte Klausel nach § 726 ZPO erforderlich ist.
2. Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken, dass auch nach dem Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes ein Verzicht auf den Nachweis des Entstehens und der Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung zulässig ist.

GBO § 20; BGB §§ 873, 925; WEG §§ 5, 8, 10 (Änderung der Teilungserklärung nach Auflassung) OLG Nürnberg, Beschluss vom 1.6.2016, 15 W 338/16

Wird nach Erklärung der Auflassung die Teilungserklärung geändert, bedarf es keiner erneuten Auflassung, wenn hinsichtlich des aufgelassenen Wohnungseigentums weder der Miteigentumsanteil noch Gegenstand und Umfang des Sondereigentums geändert wurden.

Familien-, Betreuungs- und Vormundschaftsrecht
BGB § 1897 Abs. 4 Satz 1 (Eignung als Betreuer) BGH, Beschluss vom 3.8.2016, XII ZB 616/15

Zur mangelnden Eignung der in einer Betreuungsverfügung benannten Person als Betreuer in Vermögensangelegenheiten.

VBVG § 9 (Dauervergütungsantrag) BGH, Beschluss vom 6.7.2016, XII ZB 493/14

a) Ein in die Zukunft gerichteter Dauervergütungsantrag des Betreuers ist unzulässig.
b) Zum Vertrauensschutz gegenüber der Rückforderung überzahlter Betreuervergütung.

BGB § 1896; FamFG §§ 278, 280 (Persönliche Anhörung im Betreuungsverfahren) BGH, Beschluss vom 29.6.2016, XII ZB 603/15

a) Die persönliche Anhörung in einem Betreuungsverfahren dient nicht nur der Gewährung rechtlichen Gehörs, sondern hat vor allem den Zweck, dem Gericht einen unmittelbaren Eindruck von dem Betroffenen zu verschaffen. Ihr kommt damit auch in den Fällen, in denen sie nicht durch Gesetz vorgeschrieben ist, eine zentrale Stellung im Rahmen der gemäß § 26 FamFG von Amts wegen durchzuführenden Ermittlungen zu (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 – XII ZB 519/13 – FamRZ 2014, 652 [= Rpfleger 2014, 318]).
b) Allein die Tatsache, dass der Betroffene sich dahingehend äußert, eine Betreuung nicht haben und mit einem möglichen Betreuer nicht zusammen arbeiten zu wollen, genügt nicht, um die Erforderlichkeit der Betreuung entfallen zu lassen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 28. Januar 2015 – XII ZB 520/14 – FamRZ 2015, 650 [= Rpfleger 2015, 397]).

BGB § 1896 Abs. 1a (Bestellung eines Gegenbetreuers) LG Saarbrücken, Beschluss vom 7.6.2016, 5 T 147/16

Ein Gegenbetreuer darf nicht gegen den freien Willen des Betroffenen bestellt werden.

Erb- und Nachlassrecht
EGBGB Art. 3a Abs. 2, Art. 4 Abs. 1 Satz 2, Art. 25 Abs. 1, Art. 229 § 36; BGB § 1922 Abs. 1, §§ 2203, 2353, 2356 Abs. 1 Satz 1, § 2364 Abs. 1, § 2368 Satz 2, 1. Halbsatz; FamFG § 69 Abs. 1 Satz 2; Wet conflictenrecht erfopvolging (WCErf) Art. 1, 3 Abs. 1, Abs. 2, Art. 5 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 (Erbfolge, Deutsches Recht) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3.6.2016, I-3 Wx 268/14

1. Auf Verfahren zur Erteilung von Erbscheinen und Testamentsvollstreckerzeugnissen nach einem vor dem 17. August 2015 (hier: 2011) verstorbenen Erblasser sind das Bürgerliche Gesetzbuch und das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.
2. Die Rechtsnachfolge eines (2011) in Deutschland verstorbenen Niederländers, der vor seinem Tode seit mehr als fünf Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, ohne mit den Niederlanden als dem Staat seiner Angehörigkeit enger als mit Deutschland verbunden gewesen zu sein, richtet sich nach deutschem Recht, ebenso wie die Aufgaben und Befugnisse eines von ihm ernannten Testamentsvollstreckers.
3. Ging der Erblasser bei Errichtung seines notariellen Testaments (1994) davon aus, dass Erbstatut das niederländische Recht sei und irrte er dabei insofern, als es, da er nach 1996 starb, infolge seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland tatsächlich das deutsche Recht ist („Handeln unter falschem Recht“), so ist die – Institute des niederländischen Rechts heranziehende – letztwillige Verfügung des Erblassers unter der Regie deutschen Rechts auszulegen.
4. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein im Erbschein als Alleinerbe nach dem Erblasser ausgewiesener Beteiligter (hier die Ehefrau) regelmäßig nicht Testamentsvollstrecker über den eigenen Nachlass sein kann, rechtfertigt sich unter Umständen aus dem – fortgeltenden – Gesichtspunkt der Vorsorge (Zur Zeit der Testamentserrichtung wurde in der niederländischen Rechtspraxis im Falle einer elterlichen Nachlassverteilung der überlebende Ehegatte als Testamentsvollstrecker nach niederländischem Recht vorsorglich eingesetzt, um auch bei im Ausland, namentlich in Deutschland, auftretenden Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Teilungsanordnung die gewünschte Vermögenszuordnung gewährleisten zu können.), mit der Folge, dass der Aufnahme eines Testamentsvollstreckervermerks in den Erbschein nichts entgegensteht.

BGB §§ 1987, 1915 Abs. 1 Satz 2, § 1836 (Vergütung des Nachlassverwalters) Schl-Holst. OLG, Beschluss vom 6.6.2016, 3 Wx 12/16

1. Die Bemessung des Stundensatzes eines Nachlassverwalters mit nutzbarer Ausbildung entsprechend § 3 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1 VBVG erscheint wie bei einem entsprechend ausgebildeten Berufsnachlasspfleger gemäß den §§ 1987, 1915, 1836 BGB mit 45 e im Normalfall einfacher Abwicklung, über 65 e bei mittlerem Schwierigkeitsgrad bis hin zu 85 e bei schwieriger Abwicklung als angemessen. Nur im Einzelfall bei ausnahmsweise ganz leichter Aufgabenstellung ist ein noch niedrigerer Satz denkbar (Ergänzung zur Rechtsprechung des Senats betreffend Vergütung des anwaltlichen Berufsnachlasspflegers in SchlHA 2012, 423 ff. = FamRZ 2012, 1903 f. = MDR 2012, 1351 ff. = ZErb 2012, 187 ff.).
2. Die nach § 1987 BGB für die Führung des Amtes des Nachlassverwalters festzusetzende Vergütung kann erst ab dem Zeitpunkt festgesetzt werden, ab dem die Nachlassverwaltung auch angeordnet worden ist, nicht aber für Zeitaufwand, den der spätere Nachlassverwalter schon vor seiner Bestellung etwa im Auftrag einzelner Erben erbracht hat.

Handels-, Gesellschafts- und Registerrecht
BGB § 181 (Selbstkontrahierung, Liquidator, Geschäftsführer) OLG Köln, Beschluss vom 21.9.2016, 2 Wx 377/16

Die gesellschaftsvertragliche Regelung über die Befreiung der GmbH-Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB lässt sich nicht auf den (geborenen) Liquidator erstrecken. Die Regelungen des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich der Geschäftsführung lassen sich auch dann nicht auf die Liquidation übertragen, wenn die bisherigen Geschäftsführer als geborene Liquidatoren tätig werden.

BGB §§ 21, 22, 60 Abs. 1 (Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb des Vereins) KG, Beschluss vom 3.6.2016, 22 W 122/15

Zur Feststellung, ob der Zweck eines Vereines auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, sind nicht nur die Angaben in der Satzung heranzuziehen, sondern auch die tatsächlichen Verhältnisse. Insoweit treffen den Vereinsvorstand Aufklärungspflichten. Das Amtsgericht darf von einem wirtschaftlichen Zweck aber nur ausgehen, wenn die entsprechenden Tatsachen feststehen.

Zivilprozess und Zwangsvollstreckung
ZPO §§ 829, 840 Abs. 1; BNotO §§ 15, 23 (Pfändung des Kaufpreisanspruchs) BGH, Beschluss vom 9.6.2016, V ZB 37/15

Wird eine Kaufpreiszahlung über ein Notaranderkonto abgewickelt, erstreckt sich das mit der Pfändung des Kaufpreisanspruchs entstandene Pfandrecht auf den Auszahlungsanspruch des Verkäufers gegen den Notar.

RVG § 25 Abs. 1 Nr. 1; ZPO §§ 828, 829 (Gebührenwert für Forderungspfändung) Brandenbg. OLG, Beschluss vom 29.7.2016, 7 W 45/16

Besteht die gepfändete Forderung nicht, dann ist sie als wertlos zu betrachten und gebührenrechtlich nur mit dem Mindestwert von 500 e anzusetzen (Anschluss an OLG Köln, Rpfleger 2001, 149; entgegen OLG Karlsruhe NJWRR 2011, 501; OLG Naumburg NJW-RR 2014, 1151).

Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung
StGB § 263 Abs. 1; ZVG § 71 (Strafbare Gebotsabgabe) BGH, Beschluss vom 14.7.2016, 4 StR 362/15

1. Die Abgabe eines Gebots im Zwangsversteigerungsverfahren enthält keine Erklärung des Bietenden gegenüber den Mitbietern.
2. Der die Zwangsversteigerung leitende Rechtspfleger unterliegt regelmäßig keiner Fehlvorstellung über die Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit des Bieters

ZVG § 87 Abs. 1; ZPO § 227 (Verlegung des Zuschlagsverkündungstermins) BGH, Beschluss vom 12.5.2016, V ZB 141/15

Ein Termin zur Verkündung der Zuschlagsentscheidung darf nur aus zwingenden Gründen verlegt oder vertagt werden; erhebliche Gründe im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO genügen nicht.
Mit Anmerkung von Martin Ertle, Dipl. –Rpfl. (FH), Amtsgericht Calw

Insolvenzrecht
InsO §§ 56, 92, 76, 78 Abs. 1 (Sonderinsolvenzverwaltung) BGH, Beschluss vom 21.7.2016, IX ZB 58/15

a) Der einzelne Gläubiger hat kein Beschwerderecht gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts, auf Antrag oder Anregung der Gläubigerversammlung einen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen, um Gesamtschadensersatzansprüche gegen den Insolvenzverwalter zu prüfen und gegebenenfalls durchzusetzen.
b) Das Insolvenzgericht hat im Rahmen der Anordnung der Sonderinsolvenzverwaltung sowohl im Amts- als auch im Antragsverfahren zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters vorliegen.
c) Die Sonderinsolvenzverwaltung zur Prüfung von Gesamtschadensersatzansprüchen gegen den Insolvenzverwalter kann angeordnet werden, wenn tatsächlich und rechtlich begründete Anhaltspunkte für das Vorliegen von Gesamtschadensersatzansprüchen gegen den Insolvenzverwalter gegeben sind, sofern der Erfolg des Insolvenzverfahrens durch die Sonderinsolvenzverwaltung nicht beeinträchtigt wird.
d) Der Beschluss der Gläubigerversammlung zu beantragen, dass ein Sonderinsolvenzverwalter zur Prüfung von Gesamtschadensersatzansprüchen gegen den Insolvenzverwalter bestellt werde, kann regelmäßig dem gemeinsamen Interesse der Gläubiger nicht widersprechen.

InsO § 63 Abs. 1 (Verwirkung des Vergütungsanspruchs) BGH, Beschluss vom 14.7.2016, IX ZB 52/15

Ein Insolvenzverwalter kann seinen Vergütungsanspruch verwirken, wenn er bei seiner Bestellung verschweigt, dass er in einer Vielzahl früherer Insolvenzverfahren als Verwalter an sich selbst und an von ihm beherrschte Gesellschaften grob pflichtwidrig Darlehen aus den dortigen Massen ausgereicht hat.

Kostenrecht
GNotKG § 58; HRegGebV 2500, 2502 (Änderung der inländischen Geschäftsanschrift) OLG München, Beschluss vom 9.8.2016, 31 Wx 188/16

Für die Eintragung einer Änderung der inländischen Geschäftsanschrift einer GmbH – ohne gleichzeitige Sitzverlegung – im Handelsregister fällt die Gebühr nach 2502 GV zur HRegGebV an.

GNotKG § 81 Abs. 2 Satz 1; KV 14160 Abs. 5 (Zuordnung eines Sondernutzungsrechts) PfälzOLG Zweibrücken, Beschluss vom 30.6.2016, 3 W 59/16

Ist die sog. „negative Komponente“ eines Sondernutzungsrechts (hier: an einem PKW-Stellplatz) schon in der Teilungserklärung begründet worden; so betrifft die spätere Zuordnung des Sondernutzungsrechts zu einem bestimmten Wohnungseigentum im Sinne von GNotKG KV 14160 Abs. 5 nur dieses und nicht auch die übrigen Wohnungseigentumseinheiten. Die Festgebühr nach GNotKG KV 14160 Abs. 5 fällt deshalb nur einmal an.

GNotKG § 52 Abs. 4 S. 1, § 55 Abs. 2; KV 14121 (Wohnungsrecht für mehrere Berechtigte) OLG Hamm, Beschluss vom 22.7.2016, 15 W 566/15

Für die Eintragung eines Wohnungsrechts für mehrere Berechtigte mit der Bestimmung des Gemeinschaftsverhältnisses als Gesamtberechtigte gem. § 428 BGB ist nur eine einmalige Gebühr zu erheben.
14121 GNotKG, wie sie unter Position 3 der Kostenrechnung in Ansatz gebracht worden ist.

Gesetzgebungsreport

Berichtszeitraum vom 26.10.2016 – 25.11.2016

BGBl. I
Fünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016, BGBl. I 2016 S. 2460
Sechstes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (6. SGB IV-Änderungsgesetz – 6. SGB IVÄndG) vom 11. November 2016, BGBl. I 2016 S. 2500
Länderreport
Sachsen
Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege Meißen, Fortbildungszentrum des Freistaates Sachsen und zur Änderung des Sächsischen Disziplinarrecht, GVBl. 2016 S. 498

Schrifttumshinweise

Sachen- und Grundbuchrecht

Böhringer, Gesamtrechte im Sinne von § 48 GBO, RpflStud. 2016, 149
Falkner, Vorkaufsrechte im Grundstücksverkehr, Teil II, MittBayNot 2016, 465
Rapp, Wohnungseigentum und aufteilungsplanwidrige Bauausführung, MittBayNot 2016, 474

Familien-, Betreuungs- und Vormundschaftsrecht

Andrae, Anerkennung einer ausländischen Entscheidung zur elterlichen Sorge, NZFam 2016, 1011
Frie, Art. 23 EGBGB – Hindernis für die Vaterschaftsanerkennung nach ausländischem Recht? RpflStud. 2016, 155
Fröschle, Familiengericht und Jugendamt – gekreuzte Rechtswege, FamRZ 2016, 1905
Heinemann, Mehr Sollen als Sein. Zur Feststellung der Geschäfts- und Testierfähigkeit, ZNotP 2016, 170
Knittel, Änderungen von Unterhaltstiteln nur im gerichtlichen Verfahren möglich? NZFam 2016, 970
Majer, Anerkennung einer ausländischen Minderjährigenehe, NZFam 2016, 1019
Meise, Rechtswahl in vorsorgenden Eheverträgen und Scheidungsfolgenvereinbarungen – Teil 2, RNotZ 2016, 553
Müller-Lukoschek, Wenn der Betreute erbt. Ausgewählte Fragen der Vertretung durch den Betreuer unter haftungsrechtlichen Aspekten, RpflStud. 2016, 160
Reetz, Bestimmtheit der Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung, RNotZ 2016, 571
Scherpe, Bist Du mein Vater? – Zum Recht des Kindes auf Klärung der Abstammung gegenüber dem (vermeintlichen) biologischen Vater, FamRZ 2016, 1824
Seibl, Die Bestimmtheit von Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen, NJW 2016, 3277
Weber, Erwerb von Grundstücken durch Ehegatten mit ausländischem Güterstand – Teil I: Ermittlung des anwendbaren Güterrechts und Prüfung durch das Grundbuchamt, MittBayNot 2016, 482

Erb- und Nachlassrecht

Bienwald, Verfahrenspflegschaft in Nachlasssachen? RpflStud. 2016, 165
Geyer, Das Behindertentestament – Auswirkungen des Behindertentestaments auf die rechtliche Betreuung, BtPrax 2016, 176
Hoor, Digitaler Nachlass: Rechtliche und praktische Probleme und Gestaltungsempfehlungen für die anwaltliche Praxis, ZAP Fach 12 S. 319
Kuhn, Leihvertrag eines Vorerben über ein Nachlassgrundstück: Bindung der Nacherben, insbesondere im Falle der Personenidentität mit den Erben des Vorerben? ZEV 2016, 609
Schmidt, Die Tragung der Pflichtteilslast gem. § 2318 Abs. 1 S. 1 BGB im Lichte einer differenzierenden Verteilungslehre, ZEV 2016, 612

Handels- und Registerrecht

Huneke, Die Eintragung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts in die GmbH-Gesellschafterliste, GmbHR 2016, 1186
Leuering, Die Änderung der Firma zwecks Übertragen der Sanierung, NJW 2016, 3265

Prozesskosten- und Beratungshilfe

Christl, Aufteilung der Wohnkosten in der Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, FamRZ 2016, 1910
Lissner, Rechtsprechungsübersicht zum Bewilligungsverfahren in der Beratungshilfe, RVGreport 2016, 402
Schwill, Prozesskostenhilfe – Praxisrelevante Probleme des Beschwerdeverfahrens, MDR 2016, 1241

Zivilprozess und Zwangsvollstreckung

Lamminger/Ulrich/Schmieder, Überschießende Signaturerfordernisse bei elektronischem Rechtsverkehr und elektronischer Aktenführung, NJW 2016, 3274
Stürner, Die Vollstreckung aus ausländischen Zivilurteilen nach der Brüssel Ia-VO, DGVZ 2016, 215

Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung

Brändle, Energielieferung in der Zwangsverwaltung, ZfIR 2016, 729

Insolvenzrecht

Amery, Missglücktes Übergangsrecht – Regelungswidersprüche im Vergütungsrecht des vorläufigen Insolvenzverwalters, ZIP 2016, 2208
Buchalik/Schröder, Kriterien zur Festsetzung angemessener Vergütungen in der Eigenverwaltung, ZInsO 2016, 2231
Graeber, Die Bemessung der besonderen Insolvenzverwaltervergütung für die Geltendmachung von Ansprüchen nach §§ 92, 93 InsO NZI 2016, 860
Hingerl, Zwei fehlende Bausteine im System des Insolvenzplanverfahrens – Insolvenzplan in der Wohlverhaltensperiode und fakultative Übertragung des Insolvenzplanverfahrens auf den Rechtspfleger, ZInsO 2016, 2238

Straf-, Strafverfahrens- und Strafvollstreckungsrecht

Burhoff, Die Rechtsprechung zu § 14 RVG in Straf- und Bußgeldsachen in den Jahren 2014 bis 2016, StraFo 2016, 403
Fromm, Vergütung des Verteidigers in Auslieferungsverfahren und Vollstreckungsübernahmeersuchen nach IRG, JurBüro 2016, 508

Kostenrecht

Klüsener, Reisekosten des Rechtsanwalts, JurBüro 2016, 505
Kroiß, Kosten und Gebühren im Erbscheinsverfahren: Aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung ZEV 2016, 619
Schneider, N., Berücksichtigung der Dauer der Nutzungsentschädigung beim Verfahrenswert, NZFam 2016, 1029

Buchbesprechungen

Münchener Kommentar Handelsgesetzbuch.
Band 1 §§ 1–104a. Verlag C. H. Beck, München. 4. Auflage, 2016. XXXV, 1.616 Seiten, Ln. 259,– Euro, ISBN-Nr. 978-3-406-67701-4 kommentierten HGB Prof. Dr. Peter Ries, Berlin
Praxis der Teilungsversteigerung.
Von Dr. Karl-Alfred Storz und Bernd Kiderlen. 6. überarbeitete Auflage, 2016. Verlag C. H. Beck, München. XXII, 469 Seiten, kart. 59,– Euro. Prof. U. Hintzen, Berlin
Leipziger Gerichts- & Notarkosten Kommentar (GNotKG).
erausgegeben von Dr. Thomas Renner, Dr. Dirk-Ulrich Otto und Volker Heinze. Carl Heymanns Verlag. 2. Aufl. 2016. 1492 S., 149,– Euro Professor Walter Böhringer, Notar a. D.

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