Heft 1/2024 (Januar 2024)

Pfändbarkeit der Corona-Überbrückungshilfe

BGH, Beschluss vom 16.8.2023,VII ZB 64/21

1. Bei der Corona-Überbrückungshilfe III (Billigkeitsleistung des Bundes in Form einer Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen, Soloselbstständige und Angehörige der Freien Berufe, die in Folge der Coronakrise erhebliche Umsatzausfälle erleiden) handelt es sich um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 399 1. Fall BGB nicht pfändbare Forderung.
2. Die Unpfändbarkeit der Corona-Überbrückungshilfe III setzt sich nach deren Überweisung nicht an der Gutschrift auf einem regulären Girokonto des Schuldners fort. Ist der Schuldner eine juristische Person, kann er sich insoweit nicht auf eine entsprechende Anwendung der für ein Pfändungsschutzkonto gem. § 850k ZPO geltenden Schutzvorschriften berufen; ihm steht lediglich im Einzelfall bei einer gegen die guten Sitten verstoßenden unzumutbaren Härte Vollstreckungsschutz gem. § 765a ZPO zu.

 

Elektronischer Rechtsverkehr, Eingangsbestätigung, Wiedereinsetzungsantrag

BGH, Beschluss vom 6.9.2023, IV ZB 4/23

Zu den organisatorischen Anforderungen an die Kontrolle einer Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO.

 

beA, Grundbuchamt, Sicherungshypothek

OLG Köln, Beschluss vom 6.6.2023, 2 Wx 70/23

In NRW ist der elektronische Zugang zu den Grundbuchämtern bislang noch nicht eröffnet.Wird dennoch ein Vollstreckungsantrag unter Beifügung des Vollstreckungstitels über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) bei dem Grundbuchamt eingereicht, hat das Grundbuchamt auf die fehlende Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs durch rangwahrende Zwischenverfügung hinzuweisen und dem Antragsteller Gelegenheit zur Nachreichung des Vollstreckungstitels in Papierform zu geben.

 

Notar, elektronische Antragsstellung beim Grundbuchamt

OLG Schleswig Holstein, Beschluss vom 1.3.2023, 2 Wx 10/23

1. Gemäß § 135Abs.1 S.2 Nr.4 GBO i.V.m. § 3Abs.2 S.2 ERVV SH ist der Notar verpflichtet, soweit technisch möglich, Dokumente in durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF zu übermitteln. Es handelt sich um eine Verpflichtung, die der Notar verbindlich einzuhalten hat.

2. Die Nichteinhaltung des § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i.V. mit § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH führt jedoch nicht dazu, dass die Einreichung unwirksam ist, § 135 Abs. 1 S. 3 GBO. Der Verstoß wirkt sich auf das Verfahren beim Grundbuchamt nicht aus, was der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dient und die Beteiligten vor ansonsten drohenden erheblichen Risiken schützt.

3. Gelten der Antrag und die eingereichten Dokumente wegen § 135 Abs. 1 S. 3 GBO als wirksam eingegangen, fehlt es (insoweit) an einem Eintragungshindernis, § 18 Abs. 1 GBO. Deshalb kann das Grundbuchamt – trotz eines Verstoßes gegen § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i.V. mit § 3 ERVV SH – weder eine Zwischenverfügung noch eine Zurückweisung erlassen.

4. Die Einhaltung der Pflicht zur Einreichung von Dokumenten nach § 135Abs.1 S.2 Nr.4 GBO i.V.mit § 3Abs.2 S.2 ERVV SH kann jedoch durch die Dienstaufsicht durchgesetzt werden. Die Dienstaufsicht hat insbesondere bei einem wiederholten bzw. ständigen Verstoß ein disziplinarisches Einschreiten zu überprüfen.

 

Vertretungsausschluss eines Elternteils, Rechtsfolge bei gemeinsamer elterlicher Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern

OLG Hamburg, Beschluss vom 2.10.2023, 12 UF 81/23

In einem Unterhaltsabänderungsverfahren des nicht mit der Mutter verheirateten Vaters gegen die Tochter ist die Mutter berechtigt die Tochter allein zu vertreten. Der Vater ist aufgrund der Einleitung des Unterhaltsabänderungsverfahrens trotz gemeinsamer elterlicher Sorge gem. §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 2, 181 BGB von der Vertretung seiner Tochter ausgeschlossen. Die elterliche Sorge wächst insoweit bei der Mutter an (BGH, Beschl. v. 24.3.2021 – XII ZB 364/19, FamRZ 2021, 1127, juris Rn. 18). Einer Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft bedarf es nicht.

 

Ausschlagung; Beginn Frist; Auslegung Ersatzerbschaft

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.7.2023, I - 3 Wx 91/23

1. Die Einreichung der ersten Ausfertigung der Ausschlagungserklärung genügt den formellen Anforderungen des § 1945 Abs. 1, 2. Halbsatz BGB. Denn gem. § 47 BeurkG vertritt die Ausfertigung der Niederschrift die Urschrift im Rechtsverkehr.

2. § 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach die Ausschlagungsfrist bei gewillkürter Erbfolge nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht beginnt, ist zwingend. Dies gilt auch, wenn feststeht, dass der Bedachte von der letztwilligen Verfügung früher Kenntnis erlangt hat.

3. Enthält ein gemeinschaftliches Ehegattentestament („Berliner Testament“) keine Ersatzerbenregelung und schlägt der testamentarische Alleinerbe die Erbschaft aus, führt die ergänzende Auslegung regelmäßig dazu, dass mit der bindenden Schlusserbeneinsetzung der Kinder zugleich die Einsetzung der Kinder als Ersatzerben für den ersten Erbfall gewollt ist.

© Verlag Ernst und Werner Gieseking GmbH, 2024