Heft 12/2021 (Dezember 2021)

Rechtliches Gehör, maßgeblicher Zeitpunkt, Anordnung Sachverständigengutachten, Eilbedürftigkeit
BVerfG, Beschluss vom 24.9.2021, 1 BvQ 103/21
Einem Betroffenen muss vor der Anordnung der Einholung eines Sachverständigen die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben werden.
(Leitsatz der Schriftleitung)

Betreuervorschlag, Anforderungen, Übergehen
BGH, Beschluss vom 18.8.2021, XII ZB 151/20
a) Ein Betreuervorschlag nach § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB erfordert weder die Geschäftsfähigkeit noch die natürliche Einsichtsfähigkeit des Betroffenen. Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 29.4.2020 – XII ZB 242/19 –­ FamRZ 2020, 1300 [= Rpfleger 2020, 720]).
b) Der Wille des Betroffenen kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person seinem Wohl zuwiderläuft. Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer ­umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen. Es muss die konkrete Gefahr ­bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 29.4.2020 –­ XII ZB 242/19 ­– FamRZ 2020, 1300 [= Rpfleger 2020, 720]).

Anforderungen an Rechtsnachfolgeklausel bei maschineller Bearbeitung
BGH, Beschluss vom 21.7.2021, VII ZB 34/20
Zum Anwendungsbereich des § 703b Abs. 1 ZPO bei der Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel.

Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines „Rechtsanwalts am Dritten Ort"
BGH, Beschluss vom 14.9.2021, VIII ZB 85/20
1. Zur Frage der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines nicht am Prozessort und auch nicht am Sitz der Partei ansässigen Prozessbevollmächtigten.
2. War die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten einer Partei i. S. von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO notwendig, können die zu erstattenden Kosten bei der Vertretung der Partei vor dem Gericht an ihrem Sitz nicht auf die fiktiven (Reise-)Kosten eines Anwalts begrenzt werden, dessen Kanzleisitz an dem von dem Gericht am weitesten entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirkes liegt. Die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO verlangt im Falle der notwendigen Einschaltung eines auswärtigen Anwalts regelmäßig keine zusätzliche Prüfung, ob im konkreten Einzelfall auch die Wahrnehmung des Verhandlungstermins gerade durch diesen Rechtsanwalt unbedingt erforderlich war oder auch durch einen im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalt hätte erfolgen können (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 25.10.2011 – VIII ZB 93/10 – NJW-RR 2012, 695 Rn.16).

Bewilligungsbefugnis des Insolvenzverwalters im Grundbuchverfahren nach Insolvenzanfechtung
KG, Beschluss vom 7.10.2021, 1 W 342/21
Veräußert der Eigentümer ein Grundstück unter gleichzeitiger Bestellung eines Wohnungsrechts daran zu seinen Gunsten und wird das Eigentum, nachdem das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden ist, auf Anfechtung des Insolvenzverwalters auf ihn zurück übertragen, fällt nicht nur das Eigentum, sondern auch das Wohnungsrecht in die Insolvenzmasse und der Insolvenzverwalter ist befugt, gegenüber dem Grundbuchamt die Löschung des Wohnungsrechts im Grundbuch zu bewilligen (Abgrenzung zu OLG München, FGPrax 2011, 17).

Aufnahme in EWIV, Löschung unzulässiger Eintragung
KG, Beschluss vom 8.7.2021, 22 W 1039/20
1. Die EWIV nach deutschem Recht steht einer offenen Handelsgesellschaft gleich (§ 1 EWIV-AusführungsG); die Aufnahme als Mitglied setzt eine Vereinbarung mit allen anderen Mitgliedern voraus (Art. 26 Abs. 1 EWIV-VO).
2. Die Löschung einer Eintragung nach § 395 Abs. 1 FamFG als Mitglied einer EWIV kommt nicht schon deshalb in Betracht, weil der Aufnahme nicht alle Mitglieder der EWIV zugestimmt haben. Es muss auch ausgeschlossen werden, dass die Mitgliedschaft in Vollzug gesetzt worden ist.
3. Die Voraussetzungen des § 395 Abs. 1 FamFG sind vom Regis­tergericht von Amts wegen zu ermitteln. Die Voraussetzungen müssen dabei zur Überzeugung des Gerichts vorliegen. Eine Darlegungslast zu Lasten eines Beteiligten kommt nicht in Betracht.
4. Die Löschung einer Eintragung nach § 395 Abs. 1 FamFG steht im Ermessen des Gerichts. Von einer Durchführung des Löschungsverfahrens kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen nur unter Schwierigkeiten festgestellt werden können, die Beseitigung der Eintragungswirkungen aber durch eine Anmeldung auf einfache Weise erreicht werden können.
5. Die Löschung einer Eintragung nach § 395 FamFG mit dem Hinweis, die Eintragung sei von Anfang an unrichtig gewesen, kommt nicht in Betracht.

Rechnungslegung, Anforderungen, Belege, Zwangsgeld
LG Meiningen, Beschluss vom 23.9.2021, 4 T 184/21
1. Eine ordnungsgemäße Rechnungslegung erfordert über die bloße Vorlage einer vollständigen Zusammenstellung der Zahlungsab- und -zugänge nebst Kontoauszügen die Vorlage von ­Belegen wie Rechnungen.
2. Die Vorlage der Belege in Kopie ist grundsätzlich ausreichend.
(Leitsätze der Schriftleitung)

Auskunftspflicht, Auslandsbezug, anwendbares Erbrecht, Teilrechtswahl
LG Oldenburg, Urteil vom 22.10.2020, 16 O 1549/20
1. Eine Teilrechtswahl ist im Rahmen von Art. 22 EuErbVO unzulässig.
2. Zur Ermittlung des anwendbaren Rechts bei Vermögen im Ausland.
(Leitsätze der Schriftleitung)

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