Heft 9/2019 (September 2019)

Anhörung ohne Verfahrenspfleger; Verwertbarkeit eines Gutachtens

BGH, Beschluss vom 17.4.2019, XII ZB 570/18

a) Eine Anhörung des Betroffenen im Betreuungsverfahren, die stattgefunden hat, ohne dass der Verfahrenspfleger Gelegenheit hatte, an ihr teilzunehmen, ist verfahrensfehlerhaft (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 14. Februar 2018 – XII ZB 465/17 – FamRZ 2018, 705).

b) Die Verwertbarkeit des in einem Betreuungsverfahren eingeholten Gutachtens hängt nicht davon ab, dass ein verbaler Kontakt zwischen dem Betroffenen und dem Sachverständigen hergestellt werden kann. Der Sachverständige muss den Betroffenen aber untersucht und sich damit einen persönlichen Eindruck von ihm verschafft haben (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 10. Mai 2017 – XII ZB 536/16 – FamRZ 2017, 1324).

 

Nachweis der sozialrechtlichen Hilfebedürftigkeit

BGH, Beschluss vom 8.5.2019, XII ZB 560/16

Im vereinfachten Verfahren der Umschreibung eines Unterhaltstitels auf den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 120 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 727 ZPO muss die Beachtung der Schuldnerschutzvorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 3 SGB II nicht durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden; es genügt die Versicherung des Leistungsträgers, von den Voraussetzungen für eine bestehende oder drohende sozialrechtliche Hilfebedürftigkeit des Unterhaltsschuldners keine Kenntnis zu haben.

 

Erstattungsfähigkeit, Anwaltskosten nach Klage­rücknahme, Erhöhungsgebühr

BGH, Beschluss vom 23.5.2019, V ZB 196/17

1. Die der beklagten Partei durch die Einreichung einer Anwaltsbestellung nach Klagerücknahme entstandenen Kosten sind erstattungsfähig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wenn sie sich bei der Einreichung in nicht vorwerfbarer Unkenntnis von der Rücknahme der Klage befunden hat (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 7. Februar 2018 – XII ZB 112/17, NJW 2018, 1403 [= Rpfleger 2018, 401]; Beschluss vom 18. Dezember 2018 – VI ZB 2/18, NJW-RR 2019, 381).

2. Vertritt der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit mehrere Personen und berechnet sich seine Vergütung nach Wertgebühren, erfolgt die Deckelung der Erhöhung durch eine Begrenzung auf einen Gebührensatz von 2,0; dass die Erhöhung das Doppelte der Ausgangsgebühr übersteigt, ist unschädlich.

Generalvollmacht für Vorerben, Zustimmung des Vorerben für Nacherben

OLG München, Beschluss vom 14.6.2019, 34 Wx 237/18

Der Vorerbe kann die Zustimmung zu einer Verfügung sich selbst gegenüber nicht unter Berufung auf eine vom Erblasser erteilte Generalvollmacht namens des Nacherben erklären, wenn nicht der Nacherbe ihm gegenüber zur Erteilung der Zustimmung verpflichtet ist.

 

Nachlasspflegschaft, Fürsorgebedürfnis, Sicherungsinteresse, auflaufende Kosten

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.3.2019, I-3 Wx 51/19

1. Die Verfolgung des Interesse der – bekannten – Erben, ein zum Nachlass gehörendes Grundstück wirtschaftlich zu nutzen oder zu veräußern bzw. auflaufende Kosten zu vermeiden, ist kein Fall des Fürsorgebedürfnisses, stellt sich nicht als Geltendmachung eines gegen den Nachlass gerichteten Anspruchs im Sinne des 
§ 1961 BGB dar und rechtfertigt nicht  die Einrichtung einer Teilnachlasspflegschaft für potentielle Miterben, deren Anschriften zu ermitteln bzw. für die standesamtliche Nachweise wie Geburts- und Heiratsurkunden zu beschaffen, nicht gelungen ist.

2. Zur Auslegung des vorstehend geltend gemachten Sicherungsinteresses als Anregung auf Einrichtung einer Teilnachlasspflegschaft von Amts wegen nach § 1960 BGB (mit Blick auf für die zum Nachlass gehörende Immobilie anfallende, hinsichtlich ihrer konkreten Erforderlichkeit aufklärungsbedürftige Kosten sowie eine womöglich gebotene Erbenermittlung)

3. Das Beschwerdegericht darf eine Sache an das Gericht des ­ersten Rechtszuges zurückverweisen, wenn das erstinstanzliche Gericht über das verfahrensgegenständliche Rechtsverhältnis noch nicht in der gebotenen Weise umfassend entschieden hat (hier zu prüfende Voraussetzungen des § 1960 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB).

 

Gesellschafterliste, Inhaltliche Anforderung

HansOLG Bremen, Beschluss vom 29.7.19, 2 W 24/19

Eine Gesellschafterliste, aus der sich der Nennbetrag eines Geschäftsanteils und der prozentuale Anteil jedes Anteils am Stammkapital ohne weiteres errechnen lässt, genügt den Anforderungen nach § 40 Abs. 1 S. 1 GmbHG.

 

Beiordnung eines Rechtsanwalts, schwierige Rechtslage, Erbscheinserteilung, Testierfähigkeit

OLG Naumburg, Beschluss vom 6.5.2019, 2 Wx 43/18;

1. Im Rahmen einer nach § 78 Abs. 2 FamFG zu treffenden Entscheidung über die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Vertretung in einem Nachlassverfahren ist zu prüfen, ob entweder die Sach- oder die Rechtslage nach den konkreten objektiven und subjektiven Umständen des Einzelfalls als schwierig zu bewerten ist.

2. Zum Vorliegen der Voraussetzungen für eine Beiordnung in einem Verfahren über die Erteilung eines Erbscheins, in dem die Testierfähigkeit der Erblasserin im Streit steht.

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